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#1 - Gewohnte Welt - Die ersten 30 Jahre ...

 

Ein ganz normales Leben ...

 

In meiner Erinnerung verlaufen die ersten 30 Jahre meines Lebens ziemlich unaufgeregt. Ich bin ein eher ruhiges Kind, das auf seiner Spieldecke sitzen bleibt und mit sich selbst beschäftigt ist (So wurde es mir zumindest immer wieder berichtet.) Manchmal nerve ich die Erwachsenen mit meinen vielen Warum-Fragen und mit meinem Wunsch nach Genauigkeit. Ein gerader Scheitel zwischen den Zöpfen und gleich hoch gezogene Kniestrümpfe sind Dinge, die mir wichtig sind. Meine Jugend empfinde ich als normal und angepasst. An Pubertätsprobleme kann ich mich kaum erinnern. Ich hab mich nie wirklich allein gefühlt und bin eingebunden in einen lieben Freundeskreis.


Die alles geschieht von ganz allein, ohne dass ich mich bewusst darum gekümmert hätte. So durchlaufe ich gewissenhaft und ohne Extrarunden die Schule, mache das Abitur, „erledige“ ein Studium in Kartographie an der Fachhochschule und beginne einen Job im öffentlichen Dienst in der Stadtplanung. Dort arbeite ich auch heute noch. Die Berufswahl hat sich eher zufällig nach einer Berufsberatung ergeben. Grundlage für diese Entscheidung sind meine beiden Leistungskurse Mathe und Kunst, die meinen Interessen und Neigungen entsprechen und für das Studium nützlich erscheinen.

 

Meine Eltern haben mich in meinen Aktivitäten immer unterstützt. Ich habe Freiheiten, die zu mir passen, und wenig bis gar keine Pflichten. Ich bin 24, als ich von zu Hause ausziehe. Mit 25 lerne ich den Vater meiner Tochter kennen.

 

Viele meiner Freunde und Freundinnen gehen für gewisse Zeit auf Reisen oder zur Ausbildung ins Ausland. Ich jedoch nicht. Ich habe mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, was meine Lebensträume sein könnten (von Zielen gar nicht erst zu sprechen). Ich finde mein Leben - so wie es ist - in Ordnung. Es fühlt sich irgendwie richtig an.

 

Erste Schatten ...

 

Mit Anfang 30 ein Baby zu bekommen ist eine bewusste Entscheidung. Die Schwangerschaft mit meiner Tochter ist ein absoluterr Herzenswunsch und verläuft einfach nur schön. Es ist eine intensive Mutter-Baby-im-Bauch-Zeit. Nach der ziemlich langwierigen Geburt mit Dammschnitt bin ich zunächst ziemlich überfordert mit den nachträglichen körperlichen Beschwerden und der neuen Situation als Mutter. Ich möchte alles richtig machen und fühle mich mit meinen Unsicherheiten allein gelassen. Ich bin verletzbar und dünnhäutig, vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben. Zudem gibt es zwischenmenschliche Probleme in der Familie, die mich zusätzlich belasten. Ich versuche stark zu sein und zu funktionieren. Mögliche Verletzungen und Gefühle lasse ich gar nicht erst an mich heran. Ich habe keine Ahnung davon, dass ich bereits vor langer Zeit innere Schutzmauern errichtet habe und dass genau diese Mauern nun Risse bekommen haben.

 

Doch die Dinge beruhigen sich. Die Zeit vergeht, das Kind wird größer. Irgendwann, einige Jahre später habe ich plötzlich das Gefühl in einer Sackgasse zu stecken. Mein Leben fühlt sich festgefahren, fremdbestimmt und anstrengend an. Und obwohl ich recht bald nach der Babypause wieder angefangen habe zu arbeiten, bin ich nicht wirklich erfüllt als Mutter, Ehefrau und Hausfrau. Da muss es doch noch mehr geben ...?