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#13 - Blick in den Keller - Der schmerzliche Kern Teil 3

Nicht gut genug ...

 

Liebe an Bedingungen zu knüpfen entspringt aus der Angst, nicht gut genug zu sein. Liebe gibt es nicht einfach so. Ich habe mich angepasst und angestrengt um Anerkennung zu bekommen. Um mir dieses „Verbiegen“ nicht eingestehen zu müssen, habe ich darüber einen Schutzpanzer getragen. Die tief verwurzelten Glaubenssätze (Ich schaffe es allein! Ich muss stark sein!) haben zu einem Selbstbild geführt, an das ich lange Zeit selber fest geglaubt habe. „Ich bin unabhängig und ich bin frei“. Damit fühlte ich mich stark und vor allem sicher. Was für eine Lüge. Ich bin doch nicht wirklich frei, solange in mir eingesperrt ein schutzbedürftiger Anteil lebt, der sich hinter all den Mauern nach Liebe sehnt und in Wahrheit sehr, sehr einsam ist. Um den damit verbundenen Schmerz auf Dauer zu betäuben, hat dieser Anteil es gelernt, sich selber zu verleugnen (Ich bin es nicht wert!), seine eigenen Bedürfnisse hinten an zu stellen (Ich bin nicht wichtig!) und sich nach anderen Menschen auszurichten.

 

Es ist im Innen wie im Außen. Insgeheim sehnen sich meine inneren Kinder nach bedingungsloser Anteilnahme von mir, so wie ich mir diese von meiner Mutter immer wünschte. Diese Sehnsucht nach Nähe, die gleichzeitig eine Heidenangst einjagt. Denn Nähe ist gefährlich und unberechenbar, man kann so schnell verlassen werden und steht dann plötzlich ganz alleine da. Um diese Dinge nicht zu spüren, begibt man sich in emotionale Abhängigkeiten. Doch sich den Bedürfnissen anderer unterzuordnen (um daraus Sicherheit zu kreieren), das ist wie eine Sucht zulasten der eigenen Bedürfnisse. Und weil es eine Sucht ist, ist es auch so schwer, sich daraus zu befreien. Es hat ein Weilchen gebraucht, um dies zu erkennen.

 

Doch wie soll es gehen, sich aus diesen Abhängigkeiten zu befreien? 

Sich aus der Enge der Angst, nicht zu genügen, in die Weite des eigenen Herzens fallen zu lassen? 

Die Verbindung zu mir selbst, ist gleichzeitig meine größte Angst. Warum ist diese Angst so mächtig? 


Ich finde keine Antworten auf diese Fragen und komme zu dem Entschluss, dass die emotionalen Verstrickungen vorläufig zu komplex für mich sind, um sie aufzulösen.

 

Emotionale Verstrickungen ...

 

Ein paar Monate später sehe ich klarer. Meine Mutter dient im Grunde nur als Stellvertreterin des Problems, um das es hier geht. Sie ist sozusagen die Botin der Botschaft. Immer wieder wünschen wir uns, dass unsere inneren emotionalen Löcher von anderen Menschen im Außen gestopft werden, und sind doch im Grunde selber dafür verantwortlich. Wir übertragen unsere inneren Verletzungen und unerfüllten Bedürfnisse in Form von Erwartungshaltungen ins Außen und hoffen, dass sich dort jemand um die Versorgung dieser Wunden kümmert. Ich habe vermutlich schon als Kind die Erwartungen (Päckchen) meiner Mutter als meine Aufgabe übernommen und später (als alles zu schwer wurde) angefangen, ihr genau dies vorzuwerfen. Dabei habe ich doch selbst irgendwann entschieden, so zu handeln. Wenn auch unbewusst. Am Ende habe ich dann auch noch selber Erwartungen an sie gestellt. Sie soll mir – verdammt noch mal - Liebe schenken (denn schließlich habe ich mich doch auch immer um ihre Erwartungen gekümmert). Verrückt an der Sache ist, dass genau diese Bedürftigkeit für mich ein rotes Tuch darstellt. So wollte ich nie sein: bedürftig und abhängig von anderen. Dabei trage auch ich Anteile in mir, die genau dies sind: bedürftig und abhängig. Dies zuzugeben fällt mir schwer. Aber es hilft auch loszulassen ...

 

Ich sehe, dass meine Mutter mit ihren eigenen inneren Verletzungen und Sorgen vermutlich genug zu leiden hat. Und das bereits ein Leben lang. Alles, was ich auf sie übertrage, sind im Prinzip meine eigenen Themen, die ich wiederum vorher von ihr übernommen habe. Ich kann die Lösung dafür nicht aus ihr herausschütteln. Jeder ist für das Tragen seiner Rucksäcke zunächst auch selber verantwortlich. Und wenn diese Rucksäcke zu schwer werden, ist es an der Zeit sie von den Schultern zu nehmen und zu öffnen. Sich zu trauen, einen Blick hineinzuwerfen. Dabei kann ich um Hilfe und um Unterstützung bitten. Das ist aber etwas anderes, als es unausgesprochen und unterschwellig von anderen zu erwarten. Diese „stummen Erwartungen“ führen am Ende zu den emotionalen Verstrickungen, die sich wie Fesseln um Beziehungen legen.

 

Ich entscheide mich bewusst, meine Mutter aus unserer gemeinsamen Verstrickung zu entlassen. Wir führen in dieser Zeit einige ehrliche Gespräche im Familienkreis, aber am Ende löst es sich eigentlich fast wie von selbst auf. Auf völlig stille und unspektakuläre Art und Weise, fast wie von Zauberhand. Kaum zu glauben, wenn ich es nicht selbst erfahren hätte. Das Verhältnis zu meiner Mutter hat sich seitdem deutlich verbessert, ich habe ihr gegenüber das Gefühl, "ich selbst sein zu können". Sie ist mir nichts mehr „schuldig“, wenn man es überhaupt so formulieren kann. Ich habe begriffen, dass ich die fehlende Anerkennung, die sich meine inneren Anteile von mir wünschen, nicht im Außen holen kann, sondern vielmehr diesen Anteilen selber zukommen lassen möchte. Selbstfürsorge und Selbstliebe sind die Schlüsselworte dafür. 

 

Zerrissenheit ...

 

Im Anschluss an diese Entwicklung gelingt es mir tatsächlich, mich mit meinem inneren Sonnenkind zu verbinden. Sinnbildlich betrachtet kann ich seine mir entgegen gestreckten Hände in die meinen nehmen und mich von ihm in die Mitte meines Herzens führen lassen. Das Sonnenkind steht innerlich gefühlt vor mir und umarmt mich an meinen Beinen. Es ist ein Teil von mir. Und genau an dieser Stelle stehe ich vor dem nächsten Problem. Das Sonnenkind als gesunder Anteil ist einen Schritt auf mich zugegangen. Nun möchte ich einen Schritt auf meine verletzten Anteile zugehen. Aber ich weiß nicht, wie ich das machen kann. Ich finde keinen Zugang in mir, um für mich und meine bedürftigen Anteile selbst zu sorgen. Es fühlt sich wieder einmal so an, als stünde ich vor einer inneren Wand, die mich daran hindert mir selbst Liebe zukommen zu lassen. Kombiniert mit einem Gefühl aus tiefster Zerrissenheit. Welcher Anteil in mir ist es, der einfach nicht in der Lage ist, Liebe für sich selber anzunehmen bzw. diese an sich selbst zu verschenken? Oder sind es zwei Anteile mit widersprüchlichen Bedürfnissen? Es ist genau dasselbe Gefühl (dieselbe gefühlte Wand), die mein erstarrtes Ich verspürt, das immer noch mit sich hadert, die Erschöpfte und die Gefangene an die Hand zu nehmen und mit ihnen die nächsten Schritte zu gehen. Ich kann die Psychodynamik meiner Anteile im Moment einfach nicht verstehen.

 

Ende Teil der Reise zu mir Selbst ...

 

An dieser Stelle der Geschichte höre ich zunächst auf mit dem Schreiben. Außer ein paar Notizen auf losen Zetteln hier und da rückt in den kommenden Monaten mein Job wieder mehr in den Fokus und führt dazu, dass ich die Beschäftigung mit mir selbst in den Hintergrund stelle. Es dauert ungefähr ein dreiviertel Jahr bis mich ein Fahrradunfall in Bozen mehr oder weniger unfreiwillig zu meinen inneren Gefährten und Gefährtinnen zurückholt ...

 

Fortsetzung folgt ... 

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