Der Umzug ...
Mit der Entscheidung meine alte Wohnung aufzugeben, beginnt für mich (zumindest gefühlt) eine Zeit im Chaos. Die Auflösung der alten Wohnung zieht sich wie Kaugummi, ich brauche Zeit um Abschied zu nehmen. Zwei Haushalte zusammenzubringen ist eine Herausforderung. Ich fühle mich zunehmend gestresst, besonders in der Übergangszeit, in der meine Möbel zum Teil noch nicht in die neue Wohnung mitgezogen sind, ich aber schon dort wohne und schlafe. Viele Dinge haben ihren endgültigen Platz noch nicht gefunden, das wirkt auf mich irgendwie bedrohlich. Mir fehlt Ordnung und Struktur. Ich fühle mich schutz- und orientierungslos. So, als ob sich sämtlicher Halt, den ein Zuhause eigentlich gibt, plötzlich auflöst. Es ist für mich eine schwierige Situation, ich bin ständig angespannt und kann einfach nicht locker lassen, geschweige denn, mich selber wirklich verstehen. Ich bin die ganze Zeit im Verteidigungsmodus und gifte meinen Freund an.
Irgendwann zieht Ruhe ein und die Dinge fangen an, ihr "zu Hause" zu finden. Je mehr Ordnung in der neuen Wohnung entsteht, desto ruhiger und klarer wird es auch in meinem Inneren. Die oben beschriebenen Gefühlszustände lassen sich zum Teil erst jetzt im Nachhinein wirklich einordnen und benennen.
Ich vermute, das erlebte Chaos liegt daran, dass mir meine alte Wohnung als Rückzugsort nun nicht mehr zur Verfügung steht (und zwar endgültig). Ich kann mich nicht mehr einfach so abkapseln oder "mein eigenes Ding" machen. Ein wichtiger Teil meines „persönlichen Schutzsystems“ ist weggebrochen. Inzwischen weiß ich, dass Schutz und Sicherheit in meinem Leben eine sehr wichtige Rolle spielen. Und dass viele meiner Handlungsmuster, die mir so vertraut und selbstverständlich von der Hand gehen, im Grunde Schutzmechanismen sind. Sie lenken ab und bewahren mich vor unguten Gefühlen und Verletzungen. Auch der Rückzug in die eigenen vier Wände (Abgrenzung) und der ewige Drang Dinge zu erledigen (Hamsterrad) sind solche Vermeidungsstrategien. Dank ihnen konnte ich immer gut funktionieren und mich sicher und unabhängig fühlen.
Ruhe vor dem Sturm ...
Plötzlich steht der Frühling vor der Tür .... Wir verbringen viel Zeit auf unserer Dachterrasse und arbeiten phasenweise im Homeoffice. Grund dafür ist der neue Coronavirus mit seinen zahlreichen Quarantänevorschriften. Sämtliche soziale Verbindungen und Kontakte sind herunter gefahren. Kochen, Einkaufen und Arbeiten bestimmen den Alltag. Diese Veränderungen im Außen führen auch innerlich zu einer Art Entschleunigung. Wie ein Gefühl, in Watte gepackt zu sein. Das Hamsterrad hat angehalten. Keine To-Do-Listen, keine Pflichten, kein Druck. Ich empfinde dies als angenehm. Mein Bedürfnis nach Ordnung und Struktur wird in dieser Zeit auch ohne meine bewährten Strategien erfüllt. Nun sind es die neue Wohnung und vor allem mein Freund, die mir ausreichend Schutz bieten. Es ist wie die Ruhe vor dem Sturm und rückblickend kann ich sagen, dass genau diese Rahmenbedingungen für mich die Voraussetzung waren, meine innere Reise anzutreten ...
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